"MUTIGE SCHWESTERN" - 2021

Unser erstes Jahr in welchem unsere Aktivistinnen Frauen beim Schwangerschaftsabbruch unterstützten

Am Internationalen Tag der sicheren Abtreibung, dem 28. September 2020, gründete der kroatische humanistisch-feministische Verein Zentrum für Zivilcourage das Frauennetzwerk „Hrabre sestre – Brave Sisters – Mutige Schwestern“.

40 ausgebildete Frauen aus ganz Kroatien unterstützen psychologisch und moralisch Frauen bei einem Schwangerschaftsabbruch. Stets im Kontakt per Telefon, klären sie die Frauen in medizinischen und/oder verfahrenstechnischen Belangen auf, ermutigen und begleiten sie zu ärztlichen Untersuchungen und während des Schwangerschaftsabbruchs selbst. 15 weitere Frauen sind gerade in Ausbildung zur Mutigen Schwester

In der Regel beteiligen sich zwei mutige Schwestern bei der Unterstützung einer Frau. Die Gründerin des Netzwerkes Nada Peratovic (im Bild) nimmt den Anruf oder die Mail der Frau entgegen, gibt ihr die ersten wichtigen Informationen durch, führt bei Bedarf die ersten beruhigenden Gespräche und verbindet die Frau dann mit einer anderen mutigen Schwester aus ihrer Nähe, die sie zum Krankenhaus begleitet und nach dem Eingriff nach Hause zurückbringt.

Manchmal sind mehrere unterstützende Gespräche nötig, manchmal ist es auch wichtig, einfach gute Nacht zu sagen – damit die Frau weiss, dass sie nicht alleine ist, dass wir immer für sie da sind.

Gleichzeitig finden Frauen auf der Website hrabra.com wichtige Informationen zu Abtreibungsmöglichkeiten und -verfahren, relevante Artikel zu reproduktiven Rechten, ein direktes Kontaktformular, sowie eine WhatsApp-Applikation, damit sie uns Tag und Nacht erreichen können.

In Kroatien haben Frauen das Recht, einen Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche zu verlangen. Den Abbruch, der ca. 350 Euro beträgt, müssen sie selber bezahlen (bei finanzieller Notlage übernehmen wir die Kosten). 

Doch es gibt auch eine starke katholische Anti-Abtreibungsbewegung, die mit ausgeklügelten Taktiken und Desinformationen das Recht der Frau auf eine informierte Entscheidung über ihren Körper untergräbt und Abtreibung stigmatisiert. Zudem verweigern 59% der Gynäkologen, die in öffentlichen Krankenhäusern arbeiten, die Durchführung einer Abtreibung aus religiösen Gründen. In manchen Krankenhäusern beruft sich medienwirksam die ganze Gynäkologie-Abteilung auf das “Recht”, keine Abtreibungen durchzuführen. In manchen Krankenhäusern neigt das Personal dazu, Frauen nur schon beim ersten Telefonanruf von ihrem Vorhaben zu entmutigen oder sie zu beschimpfen mit Worten wie z.B. “Das machen wir hier nicht“. 

Die Retraditionalisierung der Gesellschaft und die jahrelange Stigmatisierung von Abtreibungen führte dazu, dass viele Frauen sich nicht getrauen, ihre Familie oder Freunde über ihre ungewollte Schwangerschaft zu informieren oder befürchten müssen, dass sie jemand in der ortsansässigen Klinik erkennen wird. Darum suchen sie nach Informationen im Netz, entscheiden sich, eine Klinik ausserhalb ihres Ortes aufzusuchen oder sind gezwungen, ins Ausland zu fahren. Damit sie dies nicht alles alleine bewältigen müssen bzw. damit sie auch in Kroatien diejenige Betreuung bekommen, auf die sie als Patientinnen nach dem Gesetz Recht haben – sind wir für sie da, die mutigen Schwestern. 

Bis zum 31. Dezember 2021 haben wir achtundzwanzig (28) Frauen betreut und begleitet. Jede Frau, die um unsere Hilfe gebeten hat, hat ihre Geschichte und Gründe, warum sie eine Schwangerschaft abbrechen möchte. Wir hinterfragen nicht, wir urteilen nicht, wir vertrauen Frauen.

Wir hatten junge Studentinnen, deren Eltern nicht wussten, dass sie abtreiben würden, Frauen aus Frauenhäusern, Ausländerinnen, die in Kroatien leben, Frauen, die wegen der Missbildung des Fötus abtreiben mussten, schwangere Frauen, die schon Mütter sind, Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt oder Vergewaltigung waren. Für uns ist jede Frau etwas Besonderes – und obwohl wir wissen, dass sich unsere Wege bald wieder trennen werden, ist das in diesem Moment eine besondere Art von aufrichtiger Frauensolidarität, die uns verbindet.

Eine junge Frau, die jahrelang Opfer von extremer Partnergewalt war, steht immer noch unter unserem Schutz und hat unsere Unterstützung. Wir begleiteten sie während des Schwangerschaftsabbruches, kümmerten uns derweilen um ihre Kinder und unterstützten sie dabei, ihren Mann zu verlassen und die Scheidung einzureichen. Sie hat eine Arbeitsstelle gefunden und bereitet ein neues Heim für sich und die Kinder vor. Wir helfen ihr auch in einigen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht oder beim Gang zur Kinderschutzbehörde. In stundenlangen Gesprächen besprechen wir ihre weiteren Schritte in die Unabhängigkeit und für ein würdevolles Leben ohne Gewalt. Eine der mutigen Schwestern lud die junge Frau diesen Sommer ans Meer ein, damit sie für ein paar Tage eine wundervolle Zeit mit ihren Kindern verbringen konnte, weit weg von all der Gewalt und Demütigung.

vor der Klinik im Amsterdam

Ein weiterer besonderer Fall ist eine junge Frau, die Opfer von Menschenhandel wurde. Es gelang ihr, dem Täter zu entfliehen und zu ihrer Familie zurückzukehren. Leider war sie schwanger und das Krankenhaus in Kroatien gab ihr absichtlich falsche Informationen über ihr Recht auf Abtreibung und verschob die Arztbesuche so, dass die junge Frau die gesetzlichen 12 Wochen überschritten hatte. Wir kontaktierten ein Abtreibungsnetzwerk in Amsterdam und fanden eine Klinik, die eine Abtreibung im zweiten Trimester durchführte. Wir begleiteten die junge Frau nach Niederlanden, in die Klinik. Die Kosten der medizinischen Behandlung sowie des Fluges und Hotels teilten die Organisationen unter sich auf – internationale Frauensolidarität am Werk! Nach all der Gewalt und institutioneller Diskrimination, die sie überlebt hatte, hat die Frau nun eine zweite Chance im Leben bekommen. 

Damit unser Frauennetzwerk weiterhin Frauen unterstützen und begleiten kann, würden wir Sie gerne um eine Spende bitten – da alle Frauen ehrenamtlich im Netzwerk tätig sind, werden die Spenden jetzt noch nur für die uns entstehenden Kosten verwendet. Wir werden sie über Alles auf dem Laufenden halten. Wir danken Ihnen für Ihre Solidarität, auch im Namen der Frauen, die wir unterstützen und begleiten werden.